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https://youtu.be/LBmLyGcaHyc

hiermit wären wir bereits im Zentrum der Schwierigkeiten: Beinhaltet nicht jedes Porträt (Selbstporträt) imaginäre Anteile? Anders geschrieben: Sobald das Porträt vorgibt, die Erzählung aus dem Leben des Künstlers zu sein, bleibt es doch eine Erzählung und somit im Bereich der Imagination. Was macht ein Werk, ein Bild, eine Skulptur zum Porträt – Selbstporträt? Auf diese Frage (und mit dieser Frage befasse ich mich schon seit längerem) hat es immer wieder und je nach Epoche und Kontext der Kunst- und Geistesgeschichte unterschiedliche Antworten gegeben. «Das Anliegen des Porträts kehrt ständig zurück» schreibt Jean Luc Nancy. Aber die Zeiten, in denen sich der Künstler ohne Ironie ins Zentrum des Bildes setzen konnte, sind offensichtlich vorbei.

Das Fragwürdige der Möglichkeiten, die eigene Person konsistent abzubilden, ist den Künstlern von heute mehr als bewusst.

Das Selbstporträt als exklusives Produkt künstlerischer Subjektivität ist damit Geschichte. Und es gibt mehr als einen Grund, ihm mit einiger Skepsis hinterherzuschauen. Zweifel an der Darstellbarkeit des Subjekts haben sich schon vor längerer Zeit eingeschlichen. Spätestens die Philosophie des französischen Poststrukturalismus hat althergebrachte Vorstellungen nahezu endgültig verabschiedet. Mit ihren Philosophemen vom Verschwinden des Menschen beziehungsweise vom Tod des Autors erteilten Michel Foucault und Roland Barthes modernen Konzeptionen von Subjektivität, künstlerischer Urheberschaft und Originalität eine radikale Absage. Jacques Derrida äusserte diesen Zweifel, indem er formulierte: »Das Selbstporträt, wenn es eines gäbe«. Er beschrieb es als eine Ruine, der immer schon eine Blindheit eingeschrieben ist. Mit einem konventionellen Porträtbegriff lassen sich die Bedingungen kaum mehr vereinbaren. Vor dieser Folie wurde die Wiederbelebung der Gattung Selbstporträt, wie sie spätestens seit den 1970iger Jahren zu beobachten ist, zum spannenden Unternehmen. Neue Typologien “kristallisierten” sich heraus:

  • ANTIPORTRÄT (wie in Gestalt der kubistisch zersplitterten Figuren https://www.youtube.com/watch?v=_fBBXooAiko)
  • ALLOPORTRÄT (das Porträt des Selbst als Anderer wie beispielsweise in der inszenierten Fotografie)
  • METAPORTRÄT (das die eignen Bedingungen reflektiert)

vgl. hierzu auch Martina Weinhart, Selbstbildnis ohne Selbst. Dekonstruktion eines Genres in der zeitgenössischen Kunst, Berlin 2004. Das langsame Verschwinden des Abbilds des Künstlers aus seinen Selbstporträts ist vor allem in konzeptuellen Ansätzen zu verfolgen, die sich als GEGENENTWÜRFE zu ausdrucksorientierten, expressiven Modellen verstehen. Sie führen zu der leicht paradoxen Situation der Wiederbelebung des Genres in Form von dessen Widerlegung. Nicht zuletzt haben sich die Rahmenbedingungen für die Bildproduktion erdrutschartig bis flammend und extrem schnell verändert. Erstmals in der langen Traditionskette ist das Selbstporträt als Kulturtechnik im Alltag verbreitet und heute für jede-n zugänglich. Und niemand ist heute mehr bilderlos. Das Leben präsentiert sich als Bildgeschichte. Als Abfolge von Bildern im Fotografischen bis Filmischen der eigenen Person. Unser Gesicht wandert Tag für Tag in ein gigantisches virtuelles Bilderarchiv. Es stellt sich die Frage, wie das klassische Genre auf diesen radikal gewandelten aktuellen Kontext reagiert. Was haben die Künstler den omnipräsenten Alltags-Selbst-Darstellungen entgegenzusetzen?

Der problemlose Gebrauch des Pronomens ich (ICH – I-CH – I) verdeckt und verschmiert deutlich die Tatsache, «dass das Subjekt in Wirklichkeit ein kompliziertes, zerbrechliches Ding ist, über das sich schwer sprechen lässt und ohne das doch gleichwohl sprechen (schreiben jetzt) nicht möglich ist.

Ironie und Polemik hatte es genug gegeben. Der Aufbruch in den 1960iger Jahren mit seinen Angriffen auf verkrustete Strukturen und Hierarchien hatte keinen Platz mehr für Malerfürsten in Öl, lese ich gerade und muss breit schmunzeln. Im Zuge dieser angeblichen Aufräumarbeiten kam es zur Entmythologisierung des Künstlers als Schöpfers. Der war jetzt ein Arbeiter und sass in einem Boot mit dem Betrachter. Diese Phase erweist sich als die Keimzelle der Praktiken bis heute?

Wird der Sprache oder der Stimme heute zuviel Macht eingeräumt? Die sprachkritische Wende, die semiotische Wende, die interpretative Wende, die kulturelle Wende, die künstlerische Wende: Es scheint, dass in jüngster Zeit bei jeder Wende jedes »Ding« – selbst die Materialität – zu einer sprachlichen Angelegenheit, Geste oder einer anderen Form von Repräsentation wird. Mir geht es um die Sprache, um den Diskurs, um die Kultur und ja, um die (bildende) Kunst, Musik, Literatur usw.. In einer wichtigen Hinsicht ist das einzige, worum es anscheinend nicht mehr geht, die_ Materie.

Dabei zielt der Anspruch schliesslich über die Biografie hinaus, sobald der Künstler mit dem Bild in Hand auftritt und gleichsam stellvertretend sowie sinnbildhaft für seine Generation agiert.

Von matter birgit

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